Wie Walter Haus seinen Feierabend verbringt

Dieser Artikel erschien bereits am Freitag den 3. Dezember 1976 in der Frankfurter Rundschau. Er stellt die erste Berichterstattung über den Betrieb dar, seine Entstehungsgeschichte.

Die Kunst im Keller — Ideen mit Schmiedeeisen festgehalten

OFFENBACH. Seine Facharbeiterprüfung bestand Walter Haus, 34, als Maschinenschlosser nach dreijähriger Lehre 1960 bei der immer noch zum Gütebegriff gehörenden Maschinenfabrik Collet & Engelhardt im Praktischen mit Auszeichnung. Noch heute wurmt es ihn aber, daß er in der Theorie um einen Punkt nur eine „3“ schaffte. Er hatte das Wissen, aber er konnte es nicht anbringen. Die „Würmer“ hätten ihm die Prüfer aus der Nase ziehen müssen. Andere, die weit weniger Kenntnisse hatten, aber ohne Scheu redeten, schnitten viel besser ab. In der Bundeswehr, so meint er, habe sich dann bei ihm später die Redegewandtheit eingestellt.

Walter Haus: Abends braucht er Abwechslung von seinem Beruf. (FR-Bild: Neles)

Walter Haus: Abends braucht er Abwechslung von seinem Beruf. (FR-Bild: Neles)

Für Haus stand von Anfang an fest, daß er einen Metallberuf erlernen wollte. Nach der Facharbeiterprüfung arbeitete er noch über drei Jahre bei seiner Firma, fuhr auch auf Montage und lernte die Produktion so kennen, wie es sie heute nirgendwo mehr gibt. Die Werkstücke wurden von jedem noch komplett gefertigt von Anfang bis Ende — fast wie in einem Handwerksbetrieb. Als er dann in eine Maschinenfabrik nach Obertshausen wechselte, am Band arbeiten mußte, hielt er die Monotonie der immer gleichen Handgriffe nur ein Jahr aus. Kaum hatte er sich bei der Roland Offset Maschinenfabrik Faber & Schleicher in Offenbach eine neue Stelle gesucht, holte ihn die Bundeswehr.

Nach der Rückkehr arbeitete er auch dort am „Band“, was allerdings nicht als Fließband zu verstehen ist, sondern im Sinne von Serienfertigung im Dreieinhalb-Stunden-Takt der Montage in der Gruppe. Für Walter Haus ist es wichtig, daß die Arbeit ihn interessiert anstatt anödet, aber es ist auch wichtig, daß sie sich finanziell lohnt. Unter diesen beiden Aspekten plant er auch seine Zukunft. So ließ er sich vor acht Jahren bei Roland wegen der besseren Akkordbezahlung in eine Kontrollfunktion versetzen.

Er gehört nun zu einer jener drei Mannschaften, die über die Präzision der sogenannten Greifwagen wachen. Das ist ein Konstruktionsteil der Druckmaschinen, eine Welle, bestückt mit lauter Metallkneifern, die das Papier erfassen und gleichmäßig in der Maschine weitertransportieren müssen. Diese Greiferwagen werden von je zwei Personen in jeweils zweieinhalb Stunden so eingestellt, daß sie ohne Abweichung Funktionieren. Ist ein Teil fertig, kommt das nächste an die Reihe.

Nach all den Jahren kommt dem Maschinenschlosser auch diese Arbeit eintönig vor. Aber er ist sich ihrer Vorteile bewußt: Sie ist sauber, leicht, das Verhältnis zu den Vorgesetzten gut. Er würde auch tauschen, aber dann müßte es etwas noch Lohnenderes sein unter überwiegend positivem Aspekt. Er würde auch die Mühe auf sich nehmen, die Meisterprüfung zu machen, aber dann nicht für eine abhängige Arbeit, wo sich das finanziell kaum auszahlt, sondern um sich selbständig zu machen.

Dieser Gedanke ist jedoch der Punkt, über den er sich nicht einig ist. Er wagt, die Risiken und Vorzüge hin und her. Der gewerbliche Arbeitnehmer in Offenbach, das ist nämlich nur die eine Seite dieses Mannes. Die andere, das ist der Kunstschlosser im Keller seines selbstgebauten Häuschens in Münster bei Dieburg. Alles, was an diesem Wohnhaus schmiedeeisern ist, wurde nämlich von ihm hergestellt. In der Familie, unter Freunden stammt alles aus diesem Material aus seiner Hand. Er arbeitet sowohl nach Muster als auch nach eigenen Entwürfen. Nebenbei ist jeden Freitagabend Training beim Radsportverein. — Nur ein Tag in der Woche wird eisern freigehalten. Das ist der Sonntag. An diesem Tag gehen die Frau und die beiden kleinen Buben vor, werden gemeinsam Ausflüge und Spaziergänge, Besuche bei Verwandten unternommen oder die Zeit ohne Arbeit zu Hause gemütlich verbracht. (er)

Frankfurter Rundschau Artikel

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